Ich verlasse meine gewohnte Umgebung. Die Sprache, die ich beherrsche; die Mentalität, die ich lebe.
Ich werde es vermissen. Alles. Es sind nur noch 20 Wochen, aber es ist fast ein halbes Jahr.
Dass ich mir jemals Probleme eingestehen würde, in einen Flieger nach Japan zu steigen, hätte ich niemals für möglich befunden.Und doch ist es passiert.
Dienstag, 07. März 2017;
kurz vor der Sicherheitskontrolle,
Frankfurt am Main
Das waren meine Gedanken bevor ich die Sicherheitskontrolle passiert habe. Es war ein bedeutsamer und bewegender Schritt. Nicht nur, dass ich Japan – (eigentlich) das Land meiner Träume nach über zwei Wochen Heimurlaub wiedersehen würde, sondern vor allem, dass ich meine Heimat ein zweites Mal zurücklassen würde.
Meine Familie, meine Freunde, mein Verein. Bekannte, ehemalige Lehrer, alte Gesichter. Niemand hatte mit mir gerechnet. Ich selber am wenigsten, als ich am letzten Julitag des letzten Jahres eine Maschine Richtung Tokyo bestieg.
Seitdem war einiges passiert. Nicht nur bei mir, sondern auch daheim. Zurückblickend muss man sagen, dass ich öfter als es mir wahrscheinlich lieb war, mit Heimweh gekämpft habe.
Dieser Blog trägt den Titel „Reisewölkchen“, der Untertitel lautet ‚auf der Welt Zuhause‘. Irgendwie… bizarr. So gerne ich das Reisen auch liebe, so sehr liebe ich auch meine Heimat.
Die gewohnten Straßen, die Menschen in meiner Umgebung, die Sprache, die ich verstehen und vor allem sprechen kann.
Japan ist kein einfaches Land. Japanisch ist keine einfache Sprache. Das war mir schon immer bewusst. Dennoch habe ich das Risiko, wie viele andere Work&Traveller, die dieses Land bereisen auf mich genommen. In der Hoffnung, dass es mich weiter bringt. Nicht nur in der Zeit, in der ich 10.000km weit weg von Daheim bin, sondern auch später.
Vor Japan war mir klar, dass ich meinen gelernten Beruf wahrscheinlich nicht mehr ausüben werde. Viel zu sicher war ich mir, dass ich meinen ehemaligen Arbeitsstätten nur noch als Besucher begegnen würden und nie wieder als Mitarbeiter.
Schon vor Japan ging mir deswegen der Hintern schon gehörig aufs Grundeis. Wie sollte es weitergehen? Ja, ich war noch in den 20er’n, doch wer sagt, dass ich das Risiko eingehen könnte, jetzt noch einmal nach einer neuen Ausbildungsstätte suchen zu können? Etwas völlig anderes machen, als das, was ich gelernt habe. Ja, was eigentlich mein Wunsch war. Seitdem ich klein war… und ich glaube, dass da der Fehler lag.
Meine Eltern mussten sich nie mit meiner Zukunft beschäftigen, weil sie diese schon in jungen Jahren auf einem Silbertablett serviert bekommen hatten.
Ich hatte die Grundschule besucht und wollte auf die Realschule. In der Realschule habe ich beschlossen anschließend die Kinderpflegerausbildung zu machen. Als diese beendet war, gleich die Ausbildung zur Erzieherin ran. Als Zusatz die Fachhochschulreife dazu gepackt. Berufspraktikum. Arbeit.
Es war nie die Zeit da gewesen zu zweifeln. Ich hatte einen Plan, ich hatte ihn umgesetzt. Manche Menschen bezeichnen mich deswegen gerne als „zielstrebig“. Ja, vielleicht ist es das. Vielleicht spielt aber auch ein Hauch Angst mit, später da zu sitzen und nichts zu haben.
Der Grund, warum viele Menschen ihren Beruf weiter ausüben, obwohl er ihnen nicht mehr gefällt. Aber so, wollte ich nicht enden…
Schon während meiner Berufstätigkeit wusste ich, dass es nicht mehr das war, was ich wollte. Was sich verändert hatte…? Wahrscheinlich meine Person. Ich hatte mich verändert.
Ich war nicht mehr das kleine Mädchen von damals, was schon im Kindergarten gesagt hat, dass sie später auch einmal Kindergärtnerin werden möchte. Ja… in meiner Kindheit war der Begriff noch üblich.
Höchstwahrscheinlich war ich erwachsen geworden. Und erwachsen sein bedeutet, sein Leben selber in die Hand zu nehmen. Das hatte ich immer getan, aber jetzt musste es andere Ausmaße annehmen.
Ich durfte nicht, wie viele andere Leute auf der Welt nur stillschweigend meinen Beruf ausüben, der nicht mehr zu mir passte… Ich wollte meinen Traum leben.
Und das hatte ich geschafft. Er ist nicht ausgeträumt, aber ich habe ihn angerissen. Ab August startet für mich eine neue Ausbildung. Zur Buchhändlerin. Ein Schritt zu meinem großen Traum hatte sich in meiner Zeit in Deutschland erfüllt.
Der Grund, warum ich diesen Heimaturlaub auf mich genommen hatte, waren Vorstellungsgespräche. Von dem einen geplättet, aufgrund von Aussagen, die andere mit rassistischem Hintergrund betrachten, zu meiner Wunschstelle. Und ich habe sie bekommen. Und darauf war und bin ich stolz.
Doch als ich den Vertrag genauer betrachtete, wurde mir klar, dass das was ich mit diesem Heimaturlaub erreichen wollte, erreicht habe. Hieß im Umkehrschluss, dass ich nun wieder zurück nach Japan konnte, ohne Angst vor der Zukunft haben zu müssen.
Aber wollte ich das eigentlich…? Ich habe gekämpft. Innerlich. Mit mir. Nicht gegen Familie, Freunde; sondern ausschließlich mit meiner Selbst.
Ich liebte Japan, aber was ich in den letzten Monaten vor allem gemerkt und gespürt hatte: ich liebe Deutschland. Mehr als alles andere. Ich kann gerne quer über den Globus fahren, fliegen, schwimmen; solange ich weiß, dass mein Zuhause auf mich wartet, bereitet mir das alles keine Probleme. Was Probleme bereitet ist nur ein Faktor: die Zeit. Die Zeit, die mich von Deutschland trennt.
Vor meinem Working Holiday habe ich die Tage gezählt, die mich noch von Japan trennen. Seitdem ich wieder hier bin, erwische ich mich zusehends dabei, wie ich auf mein Handy starre und den Counter beobachte, der meine Tage bis zu meiner Rückkehr nach Deutschland zählt.
Es ist verrückt. Da träumt man so lange von etwas. Hat es endlich, dass wovon man immer geträumt hatte; war Zuhause und plötzlich ist alles anders. So, als hätte man Zuhause doch schon alles gehabt, was man zum Leben brauchte.
Oh, das kenne ich so gut. Also bei mir ist es 15 Jahre her, aber damals saß ich nach fünfeinhalb Monaten Australien im Flieger und mir ging es so:
„Ich bin im Flugzeug, die letzte Viertelstunde. Ich sehe die Felder, die Orte (Bayern) und Wälder. Und die Tränen sitzen in meinen Augen, ein Lächeln liegt auf meinem Gesicht: HEIMAT.
Am Anfang des Fluges hatte ich Angst, Angst vor der Mentalität der Deutschen, Angst vor den Menschen und dem Trott. Vielleicht zieht es mich bald wieder weg, fort, aber Heimat ist Deutschland.
Ja, ich bin sentimental, und? Ist es denn etwa nicht gut zu wissen, wohin man gehört, wo man sich am wohlsten fühlt und wo die Menschen sind, die einen lieben?!“
DA! Das ist es! Genau das, was ich fühle. Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine ist.
Als ich vor gut drei Wochen über Frankfurt flog, wusste auch ich, dass ich wieder in meiner Heimat war.
Als ich mich in Köln einfand, wusste ich, dass ich Zuhause war.
Wahrscheinlich wird es mir bei meinem entscheidenden Rückflug ähnlich ergehen wie dir.
Ich danke dir ganz herzlich für deinen Kommentar! Im inneren wusste ich, dass ich nicht die einzige Deutsche sein kann, die so fühlt.
Danke, Danke, Danke!
Herzzerreißend, dieser Beitrag zeigt, wie sehr du mit dir selber kämpfen müsstest und noch musst. Ich hoffe es hilft dir zu wissen, dass deine Freunde und deine Familie dich immer lieben und aufnehmen werden, egal wie weit und wie lange du fort bist.
Die Fragen zur eigenen Beruflichen zukunft kann ich sehr gut nachvollziehen und weiß, dass das ein sehr bedrückendes Thema sein kann. Um so schöner ist es zu wissen, dass es erstmal nach dem eigenen wünschen weitergehen kann.
Ich wünsche dir für die letzten Monate in Japan (vorerst letzten) alles erdenklich schöne und dass die Zeit für dich keine Qual wird, sondern dass du sie genießen kannst. Schließlich wird Deutschland dich im Juli mit Freude und liebe zurücknehmen 😊
Liebe Grüße Marco 😊
Danke für deinen Kommentar.
Ich hoffe, dass ich es alles auf die Reihe bekomme…
es bleibt abzuwarten.
Hab dich lieb ❤