Jetzt ist der letzte Beitrag, der euch – zugegebenermaßen – sehr geschockt hat, nun auch wieder etwas her. Das tut mir leid.
Ich habe einige private und auch öffentliche Nachrichten bekommen, dass ich stark bleiben soll, alles gut wird und vieles mehr. Dafür möchte ich euch auch hier noch einmal herzlich danken. Viele haben auch gefragt, was das alles für ein hin und her war, weshalb ich mich dazu entschlossen habe, meine „Krankheitsgeschichte“ (ich möchte es ungerne so nennen) nieder zuschreiben.
Es fing alles im letzten Jahr an. Mein Plan war es bis Ende Juli in Japan zu bleiben und im August gleich mit meiner Ausbildung zu starten. Der Plan war gut, aber wie war das: Pläne ändern sich? Oder das Schicksal spielt einfach Russisch Roulette.
Ich hatte gerade in meiner Unterkunft in Osaka meine Wohnung für den Mai in Fukuoka klar gemacht, als ich einen Anruf von Daheim erhielt. Das man mich anrief, war ja nichts neues. Mir aber eine Hiobsbotschaft per Telefon zu vermitteln kannte ich diesem Umfang noch nicht. Ein mir wichtiger Mensch hatte vom Arzt die Mitteilung erhalten, dass man Knoten in der Schilddrüse ausfindig gemacht hatte. Das eine Operation unabdingbar wäre, weil man nicht weiß, ob gut oder bösartig. Diese Person ist schon einige Jahre zuvor an einer anderen Krebsart erkrankt und konnte sich – glücjkicherweise – von dieser rasch wiederholen. Ein neues Mal musste also nicht sein. Ob ich die Möglichkeit hätte einen Monat früher heim zu kommen. Natürlich. Das stand außer Frage… ich hätte niemals 10.000km weit weg bleiben können, wenn diese Person mich braucht. Also war ich gezwungen meiner Unterkunft in Okinawa abzusagen und mich Anfang Juni in den Flieger zurück nach Deutschland zu setzen.
Dort angekommen erst einmal Operation und für mich unzählige Arztbesuche. Natürlich, nach einem Jahr wäre eine Kontrolle natürlich nichts schlechtes. Als diese Person auf dem OP-Tisch lag, war ich gerade bei einem Arztbesuch. Hier sprach man mich auf meine Schilddrüse an. Die sei ja sehr groß, ob ich das schon einmal hatte kontrollieren lassen. Nein, bisher nicht. Schließlich hatte es mir noch keiner gesagt. Doch da wurde mir schon ein wenig mulmig zu Mute. Also einen Termin beim Hausarzt gemacht, die Nachbesprechung mit dem behandelnden Oberarzt beigewohnt und mal nachgefragt, wie sowas denn kommen kann. Also solche Knoten. Erster Punkt: Vererbung. Bäms. Genau das, was ich nicht hören wollte.
Bei der Kontrolle beim Hausarzt und nach einem Ultraschall bekam ich die Rückmeldung: manche Menschen haben halt einen dicken Hals. Man meinte, da könne was sein, da ist aber nichts.
Das will ja keiner in dem Moment, oder?
Gut… oder auch nicht.
Ein gutes Jahr, ca. zehn Monate später, nach Umzug und dem gesamten hin und her, das erste Mal wieder krank. Da es eine neue Stadt war, musste auch ein neuer Hausarzt her. Kaum dort: Sie haben aber eine große Schilddrüse. Haben Sie das schon einmal untersuchen lassen? Gibt es Fälle von Schilddrüsenerkrankungen in Ihrer Familie? Ja. Und: ja. Ich überweise trotzdem mal in die Nuklearmedizin. Da soll bitte einer drüber schauen.
Fast eineinhalb Monate später war der Termin auch endlich da. Der Arzt kommt rein, um den Ultraschall zu nutzen. „Oh!“ Als er mich sieht. „Das ist aber eine Schilddrüse, die nach Hilfe schreit.“ Okay, Herr Doktor. Ich habe eh schon Panik, das hilft mir jetzt leider sehr weiter.
Fragen gestellt. Schon jemand vorerkrankt? Schlafmangel? Haarausfall? Und, und, und. „Ich schicke den Befund an die neue Hausärztin.“ – Einverstanden.
Mittwochs war der Befund dort. „Kann ich kurz reinkommen, um das mit der Frau Doktor zu besprechen?“ – „Nein, nein. Wir schließen gleich. Kommen Sie am besten morgen früh.“ Okay… Es ist ja nicht so, dass ich wissen möchte, ob da was ist oder nicht?!
Gespräch am nächsten Tag. „Mein Kollege und ich sind uns nicht einig. Ich sage: auf jeden Fall Tabletten nehmen. Er ist anderer Meinung. Wir machen das jetzt erst einmal und schauen, ob es was bringt.“
Tabletten verschrieben bekommen, die mir jeden Morgen die Schuhe ausgezogen haben. Schwindel, Bauch- und Kopfschmerzen. Und so zur Arbeit. Klasse!
Eineinhalb Monate später: Kontrolle. Werte sind annehmbar. (Waren sie zuvor auch…) Tabletten also weiter nehmen? – Ja, auf jeden Fall.
Unsicherheit bei mir. Wieso sagt der eine Arzt, ich solle keine nehmen? Die andere sagt: auf jeden Fall. Im letzten Jahr war davon gar nicht die Rede…? Schluss damit. Also habe ich mich auf den Weg zu meinem alten Hausarzt gemacht und ihm die Situation geschildert. Er rief in der Nuklearmedizin an, um meinen Befund anzufordern. „Die Patientin finde ich nicht in unserer Kartei“. Bitte was?! Ich war in diesem Jahr, vor zwei Monaten dort gewesen?
Der alte Arzt ist der Meinung, ich solle die Tabletten absetzen. Warum Hormone nehmen, wenn alles okay ist? Wenn zwei von drei Ärzten sagen, es sei nicht nötig.
Also habe ich für mich folgenden Entschluss gefasst: ich habe die Tabletten abgesetzt. Seit 26 Jahren lebe ich mit dieser Schilddrüse und sie hat mir nie Probleme bereitet. Sollte dort etwas sein, werde ich das beim jährlichen Check-up, welches ich durchführen lassen werde, schon mitbekommen und bis dahin: egal. Ich lebe mein Leben, so wie ich es bisher auch getan habe; schließlich bin ich damit gut gefahren. Vielleicht entwickelt sich da irgendetwas, vielleicht aber auch nicht. Who knows? Aber ich habe gelernt, nachdem ich alle Menschen um mich herum wahnsinnig gemacht habe, damit umzugehen. Es wird schon schief gehen. Ganz einfach.
Aber eines muss ich doch zugeben: ja, ich habe einen dicken Hals. Auf die Situation, dass man Medikamente verschreibt, die anscheinend nicht nötig sind und auf diese Unwissenheit, die mir leider viel zu viele Nächte geraubt hat.